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12. November 2024

KI als Studiencoach: Junior Research Group NAIC bringt Chatbots in den Hörsaal

KI als Studiencoach: Junior Research Group NAIC bringt Chatbots in den Hörsaal
ScaDS.AI Dresden/Leipzig

Seit Mai 2023 forschen die Junior Research Groups von ScaDS.AI Dresden/Leipzig an innovativen KI-Lösungen für Themen, die über den Forschungshorizont unseres Instituts hinausgehen. Von personalisierten Coaching-Programmen für Studierende über die Erforschung menschzentrierter automatisierter Mobilität bis hin zu fortgeschrittenen Datenanalyseverfahren für ML-Systeme bringen die Nachwuchsgruppen neue Perspektiven in die Forschungswelt der KI und Data Science.

In dieser Podcast-Reihe stellen wir die einzelnen Gruppen und ihre Projekte vor. Dabei kommen die Forscherinnen und Forscher selbst zu Wort, geben Einblicke in ihre Arbeit und berichten über die Zukunftsperspektiven ihrer Projekte. Alle Beiträge gibt es als Audio-Podcast (nur auf deutsch) und als Text (deutsch und englisch)

Podcast Folge 1: Junior Research Group NAIC

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Studieren muss nicht immer einfach sein; das wissen alle, die schonmal einen Vorlesungssaal von innen gesehen haben. Im Laufe des Studiums müssen junge Erwachsene häufig eine ganze Reihe an verschiedenen Herausforderungen meistern. Wie erstelle ich einen guten Lernplan? Wie komme ich mit Prüfungsangst klar? Warum bin ich eigentlich so gestresst? Die Junior Research Group NAIC von ScaDS.AI untersucht, wie Chatbots Studierenden bei der Bewältigung ihres Studienalltags helfen können. NAIC, das steht für „Needs-Oriented AI-Coaching for Students“. In der Forschungsgruppe untersuchen Dr. Claudia Loitsch und ihr Team die Möglichkeiten KI-basierter Konversationsagenten für universitäres Coaching. Und das mit einigem Erfolg. Im Rahmen von drei Projekten konnte die Forschungsgruppe bereits vier verschiedene Chat-Coaches entwickeln. Die Anwendungsfelder sind vielfältig:

Claudia Loitsch: Wir konzentrieren uns auf Themen der Inklusion und legen dabei den Schwerpunkt auf Studienerfolg, personalisiertes Lernen, personalisierte Coaching-Ansätze sowie auf Fragen der mentalen Gesundheit.

Wenn Claudia Loitsch von Inklusion redet, meint sie dabei nicht nur Unterstützung von Menschen mit Behinderung.

Photo. Claudia Loitsch. © Michael Kretzschmar
Claudia Loitsch (Foto: Michael Kretzschmar)

Claudia Loitsch: Inklusion ist heutzutage ein weit gefasster Begriff, der nicht nur Menschen mit sichtbaren Beeinträchtigungen betrifft. Es gehören auch Aspekte der mentalen Gesundheit dazu. Seit mehr als zehn Jahren beobachten wir einen Anstieg von Angststörungen und Depressionen, was sich unmittelbar auf das Studium auswirkt. Inklusion bedeutet daher nicht mehr nur die Berücksichtigung sichtbarer Beeinträchtigungen, sondern auch zunehmend unsichtbarer Beeinträchtigungen. Dadurch erweitert sich das Thema erheblich und betrifft eine viel größere Zielgruppe.

KI-Coaches zur Unterstützung der mentalen Gesundheit: „Moody“…

In Kooperation mit verschiedenen Partnern, wie dem Service Center Studium Dresden und dem Karolinska Institut Stockholm, entwickelt NAIC spezialisierte KI-Coaches, die Student:innen in verschiedenen Aspekten des Studienalltags unterstützen können. Aussehen tun die Systeme meist wie ein üblicher Chatbot, mit einem Eingabefeld und einem Bereich in die Antworten und der Gesprächsverlauf angezeigt werden. Ein Forschungsbereich von NAIC ist die psychische Gesundheit. Hier entwickelt Teammitglied Julian Striegl im Rahmen seiner Dissertation zwei Anwendungen: Die erste nennt sich „Moody“:

Photo. Julian Striegl. © Michael Kretzschmar
Julian Striegl (Foto: Michael Kretzschmar)

Julian Striegl: Das ist eine Web-App mit einem Chatbot, die man nutzen kann, um Übungen in den Alltag zu integrieren. Das heißt, wenn ich diese App nutzen möchte, geht das relativ schnell. Ich muss keinen Account dafür anlegen, das garantiert auch, dass so gut wie keine persönlichen Daten erhoben werden. Ich kann einfach diese Web-App aufrufen und habe dann so einen kleinen Chatbot den wir „Moody“ getauft haben. Und der stellt mir erst mal ein paar Fragen, der fragt mich zum Beispiel, wie es mir geht, und stellt auch ein paar Fragen, über die „Moody“ selbst dann natürlich mit einem Algorithmus im Hintergrund ein bisschen entscheiden kann, wo vielleicht meine Baustellen sind, was meine psychische Gesundheit angeht.

Im Chat mit dem Bot werden anhand des Wortschatzes und der Emotionalität Rückschlüsse auf den Gemütszustand gezogen und entsprechende Vorschläge, zum Beispiel für Therapieübungen, gemacht. Die Zweite Anwendung „Whats your mood“, geht noch einen Schritt weiter:

… und „Whats your Mood“.

Julian Striegl: Bei „Whats your mood“ kann ich mir ein Benutzerkonto anlegen, mit dem ich dann über einen längeren Zeitraum verschiedene Dinge machen kann. Die Grundidee ist erst mal, dass ich damit meinen emotionalen Zustand erfassen kann, und zwar im Alltag. Das heißt, wenn ich mir einen Account angelegt habe, dann klopft „Whats your Mood“ mehrmals am Tag bei mir an. Das bekomme ich dann zum Beispiel als Push-Benachrichtigung auf mein Smartphone. Da werde ich dann gefragt, wie es mir geht. Dann kann ich frei erzählen, wie es mir geht. Das Besondere ist, dass wir hier nicht kategorisch vorgehen müssen. Das heißt, man kennt vielleicht solche Apps, mit denen man seine Stimmungen erfassen kann. Ich muss jetzt nicht aus vorgegebenen Antworten oder Kategorien auswählen, ja, sondern ich kann wirklich frei schreiben.

Julian Striegl während einer Vorstellung von Konversationsagenten für mentale Gesundheit. (Foto: Julian Striegl)

„Whats your mood“ verfolgt, wie es dir über einen längeren Zeitraum geht und analysiert, wie verschiedene Aktivitäten deine Stimmung beeinflussen. Am Ende des Monats gibt es dann immer eine Zusammenfassung: Was hat wie meine Stimmung beeinflusst? Ziel ist es hier Studierende zum Nachdenken anzuregen, was ihnen Energie nimmt, und was gibt? Damit, und auch mit „Moody“, soll Studierenden eine niedrigschwellige und jederzeit erreichbare Hilfe zur Verfügung gestellt werden. Die Akzeptanz für solche Systeme ist dabei bereits recht hoch:

Julian Striegl: Der Trend oder die Tendenz ist schon so, dass man sagen kann, dass die Leute es tatsächlich mögen, solche Systeme zu verwenden. Es kommt natürlich schon auf die Nutzungsgruppe an. Es gibt auch Leute, die das eher ablehnen, so einen Chatbot zu verwenden, um private Dinge zu schreiben oder zu erzählen. Manche Leute finden das komisch, aber viele finden es eben auch gut, weil es anonym ist und weil es einfach zugänglich ist. Wenn ich wirklich eine Therapie machen will, dann muss ich je nach Land Monate warten, und dann muss ich natürlich aus dem Haus gehen und irgendwo einen Therapeuten aufsuchen. Wenn es eine online Therapie ist, brauche ich trotzdem einen Termin und muss mit einer Person über sehr private Dinge reden. Da bevorzugen es viele wirklich mit einem Chatbot zu interagieren.

Die Coaches sind dennoch kein Therapie Ersatz – schwerwiegende psychische Erkrankungen kann die Software nicht behandeln. Erfasst das System schwerwiegende psychische Erkrankungen, wird empfohlen sich menschliche Hilfe zu holen. Der Umgang mit Daten aus diesem Bereich ist ein sensibles Thema. Daher wurde bei der Entwicklung der Coaches darauf geachtet, so wenig Daten wie möglich zu erfassen. So erfolgt „Moody“ gänzlich ohne Datenerhebung. Bei „Whats your Mood“ werden zwar Informationen gespeichert, diese aber streng datenschutzkonform. Außerdem werden sie nicht zur Verbesserung des Bots weiterverwendet werden.

Claudia Loitsch: Die Hoheit über die Daten muss immer bei den Nutzenden liegen, es bedarf eines sehr sensiblen Umgangs damit und auch einer Aufklärung und transparenten Information innerhalb der App für die Nutzenden.

KI-Coaches zur personalisierten Lernunterstützung

Claudia Loitsch und ihr Team arbeiten neben KI-Coaches für mentale Gesundheit, auch an Anwendungen zur personalisierten Lernunterstützung. Eine davon ist KI-Fem. Dabei geht es darum, spezifisch Frauen in Mint Fächern zu unterstützen.

Bedarfsanalysen sind essentieller Bestandteil der Arbeit von NAIC. (Foto: Claudia Loitsch)

Claudia Loitsch: Wir haben in den ersten 4 Monaten Bedarfsanalysen gemacht. Das ist eine ganz große Stärke unserer Gruppe, dass wir partizipativ und nutzerzentriert arbeiten. Das heißt, unsere Konzepte stehen am Anfang nie komplett fest, sondern wir interagieren immer mit den Zielgruppen und hier haben wir jetzt in den letzten 4 Monaten Interviews mit Studentinnen gemacht, um herauszukristallisieren, welche Bedürfnisse und welche Hürden sie eigentlich in den MINT-Studiengängen haben.

Die Diskussionen drehten sich zwar rasch um bekannte Themen: Zu enger Zeitplan, zu viele Prüfungen, Probleme bei der Selbstorganisation, Probleme bei der Prüfungsvorbereitung etc. Im Umgang mit diesen Herausforderungen kristallisierten sich jedoch schnell Geschlechterunterschiede heraus.

Claudia Loitsch: Wir haben zum Beispiel feststellen können, dass es durchaus Sinn macht, MINT-Fächer, Frauen und Männer vielleicht ein bisschen anders zugänglich zu machen oder hier wirklich individuelles Coaching anzubieten. Weil tatsächlich zum Beispiel Männer im Studium eher einen spielerischen Charakter haben, also eher ausprobieren und quasi das, was sie lernen, auch wirklich machen wollen: Sie probieren, probieren, probieren und spielen herum, während halt Studentinnen selbst eher zielgerichtet und strukturiert auf ein bestimmtes Ziel hin lernen.

Partizipations Workshop mit MINT-Studentinnen für KI_FEM. (Foto: Claudia Loitsch)

Solche Unterschiede wirken sich stark auf das Lernverhalten aus. Bei Schwierigkeiten im Studium ist daher „One-fits-all“-Ansatz nicht immer sinnvoll, aber universitäre Lehre bietet eine solche Personalisierung oft nicht an. NAIC arbeitet daran diese Lücke durch KI-gestützte Mentoring-Programme wie KI-Fem zu schließen. Ein weiterer Bot, der zurzeit im Rahmen eines Doktorprojektes entwickelt wird, soll angehende Informatiker:innen in ihrem Studium unterstützen. Auch hier ist das Prinzip Individuelle Bedürfnisse und Lernstrategien zu erkennen und flexibel niederschwellige Hilfe anzubieten. Als längerfristiges Ziel steht bei NAIC allerdings nicht die Entwicklung einzelner Bots sondern einer zugrundeliegenden Architektur im Fokus.

Claudia Loitsch: Wir wollen die Projekte nicht isoliert betrachten, sondern wir wollen quasi eine Plattform schaffen, wo auch mehrere Coaches für die Studierenden zur Verfügung stehen, das ist unser großes Ziel. Deswegen arbeiten wir jetzt auch mit den Leuten von ScaDS zusammen, die quasi angefangen haben, große Sprachmodelle zu hosten, damit wir auch in der Infrastruktur mehr drin sind und damit wir eine Architektur für solche Coaching-Apps schaffen können, die skalierbar ist. Unser Ziel ist es, dass wir unabhängig von der Lernplattform agieren können und somit auch verschiedene Institutionen zu uns kommen können und sagen: ‚Hey, können wir das nicht gemeinsam machen, auch begleitend mit einem Coach zum Beispiel?‘

Coaching über AI hinaus – Das NAIC-Schulbildungsprogramm

NAIC-Schulworkshop. (Foto: Claudia Loitsch)

Darüber hinaus ist die Forschungsgruppe in der Schulbildung aktiv. Seit Januar diesen Jahres bietet die Gruppe auch KI-Coachings an Schulen an. So sollen Schüler:innen und Lehrkräfte ein gewinnbringender und verantwortungsvoller Umgang mit ChatGPT und anderen generativen AIs näher gebracht werden, eine Herzensangelegenheit von Claudia Loitsch. Bisher hatten die Workshops bereits über 400 Teilnehmer:innen. NAIC verfolgt mit all seinen Projekten das Ziel, Lernende in ihrer Ausbildung zu unterstützen. Der Fokus der Forschungsgruppe liegt dennoch vor allem im Universitären. Mit den Schwerpunkten Inklusion, personalisiertes Lernen und psychische Gesundheit wird versucht hier einen Beitrag zur Chancengleichheit zu leisten. So soll allen Studierenden mehr Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, ihren Studienalltag bestmöglich zu bewältigen.

Claudia Loitsch: Es ist wirklich viel los bei uns in der Gruppe, aber alles ist spannend und im Grunde ist alles unter einem Dach. Es geht um die Förderung der Studierenden, ihre individuellen Bedürfnisse und die Inklusion.

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